Ein Bericht aus der Heimschule

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Rotzbengel Rüdiger
Student der Theologie
Beiträge: 1904
Registriert: Sa 15. Jun 2013, 18:10

Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von Rotzbengel Rüdiger »

Verehrte Gemeinde,

das mehrfach dekorierte und von Kardinälen und Bischöfen empfohlene Internat zu Pirschsmitte, welches Ich seit geraumen Jahres besuche, gab sich stolz doch bescheiden dem Ruf hin, eines der verbliebenen deutschen Lehrinstitute zu sein, welches in Zeiten von Kowid noch immer mit einen strammen Lehrplan hinter geöffneten Toren aufwartet. Sogenannte „Mediziner“ konnten bisher des Geländes verwiesen, und Schüler, die sich den Zorn des HERRn eingefangen, mit fünfhundert geschriebenen „Ich darf mich nicht mit Korona anstecken, denn sonst hasst mich Jesus.“ wieder zur Vernunft gebracht werden. Doch auch die Küsten mit den hellsten Leuchttürmen sinken irgendwann in die Düsternis. Die Anwälte der Internatsleitung stellten Ihre Arbeiten ein, und der eiserne Wille der Justiz präsentierte sich in adernumrahmter Hand. So muss Ich verkünden, daß die Pennäler des katholischen Internats Pirschsmitte nun auch seit einer Woche schon zum Heimschulen genötigt sind. Ein Grund, meine Erfahrungen mit der Thematik mit der christlichen Anschnurwelt zu teilen, ei.

Ein großes Problem liegt in der Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung. Im Klassenraum ist es die Pflicht des Herrn Lehrers, bei unangebrachten Störungen des Unterrichtes (wie falschen Antworten) mit der Rute hervorzuschnellen, und dem Unruhestifter Gottes Liebe einzuzüchtigen. Sitzt jeder Bub in einem anderen, vom Lehrer separierten Raum, wie es im Heimschulunterricht nicht anders möglich ist, fällt dieses Fundament einer redlichen Lehrstunde fort. Die Herren Väter der Buben mögen jener Aufgabe solidarisch nicht nachkommen, da diese zu Zeiten von Schulstunden der eigenen Arbeit nachgehen. Die Frauen Mütter bringen nicht die nötigen Armeskraft mit, um es dem Herrn Lehrer gleichzutun. Daher empfehle Ich das Einstellen von älteren Brüdern oder Vettern, die es im Leben zu nichts gebracht haben, außer einem starken Oberarm im Seitenstraßenringkampf zu bekommen. Zahlen Sie Ihren enteigneten Verwandten auf keinen Fall den Mindestlohn, damit diese nicht losziehen, um das verdiente Geld in Schnaps zu investieren. Mein Klassenkumpane Fabian musste sich vergangenen Mittwoch wundern, warum der Biologiestudent, den seine Eltern einstellten, ihn mit dem Rohstock zu züchtigen, derweil der Herr Lehrer im Faltrechner (unredlich. Laptop) seine Lektionen zitiert, nicht auftauchte. Es stellte sich heraus, daß der Lump vollkommen blau gegen eine Kirchenwand urinierte, da er das Geld, welches ihm Fabians Herren Eltern zahlten, nach getaner Arbeit an der nächsten Tankstelle in Alkohol verwandelte. Bitte achten Sie darauf, nur so viel zu zahlen, auf daß es sich für die Taugenichtse lohnt, täglich wieder zu kommen; doch wenig genug, auf daß es lediglich für das nötige Brot reicht.

Achten Sie weiterhin darauf, Ihren Buben den redlichen Umgang mit dem Faltrechner beizubringen. Viele junge Katholiken sind des Komputens (unredlich. computern) nicht mächtig, da sie große Teile ihrer Freizeit im Bibelstudium, oder beim Helfen von redlichen Hausarbeiten verbringen. Lassen Sich sich den örtlichen Herrn Pfarrer vorbeikommen, der sämtliche Anwendungen im Internetz sperrt, wenn Sie nicht unmittelbar notwendig sind, um das Videoplauderprogramm zum Laufen zu bringen. Außerdem muss ein Eimer Weihwasser über dem Faltrechner ausgekippt werden, um böse Viren davon abzuhalten, Mörderspiele auf dem Rechner zu installieren.
Natürlich muss in jedem Bild, welches die Netzkamera einfängt, ein Kruzifix zu sehen sein. Dies gilt der Sicherheit der Knaben, die sonst schutzlos bösen Hackern ausgesetzt wären.

Anfängliche Schwierigkeiten, die auch die Klassen meines Internats lernen mussten: Wenn ein Knab über keinen Falt- oder Heimrechner verfügt, was bei sieben Buben in meinem Jahrgang der Fall ist, wird ihm postwendend ob der behandelten Themen Bericht erstattet. Diese gilt es nachzuarbeiten.
Ständige Ausfälle des Internetzes aufgrund von Knicken im Wehlahnkabel gehören natürlich nun zum schulischen Alltag. Dahingehen werden die Unterrichtstunden seit Dienstag mit einem kurzen Gebet an den HERRn begonnen, er möge doch das Internetz stabil halten.
Was mich betrifft, so stellte Ich fest, daß mein vorbildlicher Lerncharakter auch in Wohnzimmer des Elternhauses nichts von seiner Reife einbüßen muss. Es schreibt sich in den Heften gleichermaßen, liegen Sie nun auf dem Pult im Klassenraum, oder auf dem Esstisch. Hin und wieder knarzt es in der Leitung, aber dann rücke Ich meine Kopfhörer zurecht, und alle Probleme sind dahin.
Ein frecher Knabe, der Johann, der wollte uns einst vortäuschen, sein Bild sei in die Schwarze abgestürzt, damit er da rotzfrech sonst welchen Beschäftigungen nachgehen kann. Doch vergaß er da, die Mikrophone auszuschalten, auf daß man ihn lauthals zu dümmlicher Hipf-Hüpf-Musik tanzen hören konnten. Der Bub Johann geht nun auf eine Lehranstalt für Kinder, deren man eine Zukunft außerhalb skandinavischer Gardinen nicht mehr zutraut.

Bild
Ich bin klein,
mein Herz ist rein,
soll niemand drin wohnen
als du mein liebes Jesulein.


Nun, meine erste Woche hinter dem Faltrechner lotete sich nach und nach in geregelte Bahnen. Im Falle weiterer bemerkenswerter Ereignisse oder Hinweise für einen korrekten Umgang, werde Ich mir die Zeit nehmen, Sie hier niederzuschreiben.

Sind Ihnen auch Enkel oder Söhne und Töchter nahe, die derweil der Heimschule frönen? So berichten Sie davon, auf, auf!

Herumtollend,
Rotzbengel Rüdiger
Gegrüßt seien all jene, die Brot und Wasser mit mir teilen.
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Opa Rauschebart
Hüter der Heiligen Handgranate
Beiträge: 1687
Registriert: Di 24. Jul 2012, 19:00

Re: Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von Opa Rauschebart »

Werter Rotzbengel Rüdiger,

vielen Dank für den ausführlichen und anschaulichen Bericht und das Aufzeigen der offensichtlichen Problematik der Schülerüberwachung und -bestrafung. Hierzu fällt mit eine technisch leicht durchzuführende Lösung ein, die ich mir wahrscheinlich patentieren lassen werde.
Der Titel der Schrift wird lauten: "Hart- und weichwaren unterstützte Überwachungs- und Züchtigungsmethode für Knabbuben und Bordsteinschwalben".
Erste Vorbedingung ist, daß der Heimrechner des Schülers nur dann hochfährt, wenn dieser eine leitfähige Manschette um das Handgelenk trägt, welche im ersten Schritt den Hautwiderstand misst. Nun startet automatisch die Verbindung zum Lehrer, der die Schüler mit "jeder Schreibtisch" (unredl. "any Desk") oder Mannschaftsspieler (unredl. "team player") überwacht und lehrt. Sollte ein Rotzlöffel unaufmerksam sein oder gar Fehler äussern, bestraft er den Schüler, indem er sich auf dessen Rechner schaltet und durch Drücken einer Funktionstaste dem Schüler einen Reizstromstoß über die Manschette verpasst. Die Stärke des Stoßes ist davor vom Lehrer frei zu wählen. Außerdem kann über Mannschaftsspieler auch die Weichwareninstallation auf dem Heimrechner überwacht werden, wobei Verstöße auch hier stante pede geahndet werden können.

Sich im Internetz über den Stand der Technik informierend, einen Entwurf verfassend

Opa Rauschebart
***** Lernen durch Schmerz ****** Motivation durch Entsetzen*****
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Walter Gruber senior
Kommerzialrat
Beiträge: 2630
Registriert: Do 16. Jul 2015, 09:57

Re: Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von Walter Gruber senior »

Lieber Herr Rotzbengel Rüdiger,

vielen Dank für den Bericht aus der Heimschule! Es zeigt sich dabei, dass die jungen Menschen der schulischen Bildung eine zu große Bedeutung beimessen. In Wirklichkeit geht es bei den Kindergärten und der Schule bis etwa zum 15. Lebensjahre nämlich darum, die Kinder unter Aufsicht zu halten, damit sie keinen Blödsinn anstellen und die Eltern nicht von der Arbeit abhalten.

Es lässt sich dieser Effekt leicht auch zu Hause erzielen, indem man das Kind fünf Stunden pro Tag mit einem Buche in ein Zimmer einsperrt. Die moderne Technik ist dabei gar nicht notwendig und manchmal sogar hinderlich.

Guten Lernerfolg wünscht Ihnen
Gruber Walter
(Abiturjahrgang 1960)
Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie. (Matthäus 13, 45-46)
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Martin Frischfeld
Redlicher Lyriker
Beiträge: 1683
Registriert: Di 26. Sep 2017, 21:00

Re: Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von Martin Frischfeld »

Werter Rotzbengel,

haben Sie meinen Dank. Man sieht, daß die sog. neuen Medien keinesfalls einen Fortschritt bedeuten. Wann gab es denn bei einer herkömmlichen Unterrichtsstunde eine "Verzögerung" (unredl. "lag") vernommen? Lal, freilich, als damals der gestrenge Studienrat Herr Dr. Knispel während der Lateinstunde einen Schlaganfall (und zwar nicht einen solchen, der in roten Striemen auf Schülerrücken resultierte) erlitt, gab es durchaus gewisse Aussetzer. Das war es dann aber auch! Gar ein plötzliches Einfrieren (unredl. "freeze") der Lehrkraft ist außerhalb der Polarkreise nicht zu befürchten.

Den Schülern viel Erfolg wünschend,
Martin Frischfeld
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H Dettmann
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Re: Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von H Dettmann »

Hochgeehrter Knabe Rüdiger!

Herzlichen Dank für Ihren sehr detaillierten Bericht. Meine Wenigkeit kann Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass auch das Johann-Böse-Privatgymnasium in Haselsberg, welches von meinen Buben besucht wird, ähnliche Probleme zu bewältigen hat. Allerdings habe ich Vorbehalte gegenüber die Verwendung von Heim- beziehungsweise Faltrechnern, welche von der Schulleitung geteilt werden. Satan kann nämlich überall lauern; leichtes Spiel hat dieser jedoch anschnur - nicht umsonst wird eine endgültige Internetzabschaltung von löblichen Christen erdscheibenweit gefordert. Man munkelt, es sei sogar möglich, E-Briefe zu fälschen, um auf dem Heim- beziehungsweise Faltrechner des Empfängers satanistische Weichware zu installieren. Aufgrund dieser Unsicherheiten erreichen die Schulaufgaben die Schüler auf postalischem Wege - diese Entscheidung wurde von der Schulleitung des Johann-Böse-Privatgymnasiums unter anderem aufgrund dieses Aspekts unabhängig davon, ob nun weitere Sicherheitsmaßnahmen, wie von Ihnen beschrieben, am Heimrechner durchgeführt werden, so getroffen. Darüber hinaus können die Schularbeiten, wie bereits durch ehrenwerten Herrn Frischfeld angemerkt worden ist, unabhängig davon, ob das Internetz denn nun funktioniert oder nicht, erledigt werden, was natürlich einen weiteren signifikanten Vorteil darstellt.

Berichtend
Ihr Herbert Dettmann
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Hinrich Hammerschmidt
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Re: Ein Bericht aus der Heimschule

Beitrag von Hinrich Hammerschmidt »

Werte Herren,

es ist fürwahr ein brandaktuelles Thema, welches Herr Rüdiger hier anspricht. Ich teile indes die Zweifel des Herrn Dettmann. Als ich meinem Enkel Hanno einen Faltrechner für den Heimunterricht zur Verfügung gestellt habe, da hieß es, die Mindestanforderung sei durch die darauf installierte Weichware "Fenster 3.1" nicht erfüllt. Also ließ ich das notwendige "Fenster Ikspe" aufspielen, eine Weichware, mit der ich mich bisher noch nicht beschäftigt habe.
Installiert Kleinweich eigentlich nach wie vor das Mörderspiel "Minenkehrer" auf seinen Heimrechnern?

Besorgt,
Hinrich Hammerschmidt
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